Das Kapitel "Schluß" ist dem Buch "Wozu noch tapfer sein?" entnommen

Wozu noch tapfer sein? Wir Deutschen hüten einen Schatz an Werten: unsere Rechte, unsere Freiheiten, ein schönes Land, eine liebenswerte Heimat und nicht zuletzt uns selbst, die Gemeinschaft unserer Lands- leute. Sie als Soldat treu und tapfer zu verteidigen, ist schon ein Solda- tenleben wert. Niemand von uns kennt unsere Zukunft. Wir bauen wei- an einem friedlichen Europa und an einer verträglichen Welt. Und trotzdem kann niemand Rückschläge für alle Zeit ausschließen. Wer hin- term Deich wohnt und die Flut fürchtet, kann den Deich aufschütten. Aber niemand kann die Sturmfluten abschaffen. Deutschland verdankt der Bundeswehr und ihren Soldaten die Wieder- erlangung der staatlichen Souveränität. Es verdankt ihr 40 Jahre Sicher- heit gegenüber einem bis an die Zähne gerüsteten Ostblock. In der Ver- gangenheit und in der Zukunft war und ist Deutschland nur mit der Bund- eswehr NATO-fähig, EU- und WEU-fähig, also in der Lage, Außenpolitik zu betreiben. Im Augenblick stellt die Bundeswehr neben der Wirtschaft den stärksten Integrationsfaktor zwischen Ost- und Westdeutschland dar. In wenigen Jahren wird sie die gleiche Rolle gegenüber Ungarn, Tsche- chien und Polen einnehmen. Es lohnt sich, dabei mitzuhelfen. Vor den Soldaten der Bundeswehr haben schon viele Generationen deutscher Soldaten gedient. Sie waren an die Gesellschaftsordnungen ih- rer Zeit gebunden. Sie waren ihren Verfassungen und ihren Regierungen treu. Diese Soldatengenerationen haben politisch in dem Maße geleistet und gefehlt, wie es ihre politischen Systeme und Regierungen getan ha- ben. Kein Grund für uns, sich aufs hohe Roß zu setzen. Wer weiß, wie nachfolgende Generationen über die Fehlleistungen unseres Systems und unserer Regierungen urteilen werden - und über uns? Die Soldaten, die vor uns die Uniformen der Wehrmacht oder der hannöverschen, der bayerischen, der preußischen Heere trugen, gehörten zu ihrer Zeit zu den besten Truppen der Welt. In den Memoiren großer französischer, amerikanischer und britischer Soldaten liest man nicht sel- ten die Bemerkung, daß sie stolz waren, solch großartigen Gegnern ge- genübergestanden zu haben. Und ich - der ich kein Verdienst daran habe - bin stolz darauf, zu dieser langen Reihe deutscher Soldatengenerationen zu gehören, die ihr Leben ihrem Land gewidmet haben. Die SFOR-Bun- deswehrsoldaten, die heute in Bosnien für Frieden sorgen und die Sol- daten, die 1997 im Oderbruch die Deiche hielten, zeigen, daß die lange Reihe tüchtiger deutscher Soldaten weitergeht. Das Dritte Reich liegt hinter uns. Treue und Tapferkeit von Millionen deutscher Soldaten wurden in jener Zeit mißbraucht. Wenige Offiziere der Wehrmacht sind dagegen aufgestanden. In der Bundeswehr ist viel darüber nachgedacht und diskutiert worden. Zu den Einsichten daraus gehört eine neue Einstellung zum Eid, welche die Bundeswehr von der Wehrmacht unterscheidet. Wir sind heute der Auffassung, daß der Solda- teneid ein gegenseitiges Treueverhältnis begründet, das sowohl der Eid- geber als auch der Eidnehmer brechen kann, so wie es Hitler tat. Die Bun- desrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverfassungsgericht, hat ihre Treuepflicht gegenüber den Soldaten grob verletzt und damit das gegenseitige Treueverhältnis zu den Soldaten von sich aus aufgelöst. Bun- despräsident und Bundeskanzler schwören in ihrem Amtseid »Gerechtig- keit gegenüber jedermann zu üben«. Soldaten, deren Diffamierung als Mörder de facto strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden kann, erfahren keine Gerechtigkeit. Hier ist der Staat untreu gegenüber den Soldaten. Die Volksvertretung, der Bundestag, hätte das mit der Novelle des Straf- gesetzbuches (§ 109b StGB) heilen können. Er tat es nicht. Somit ist der Sol- dat von seinem Versprechen zur Treue frei. Die Treue ist zwar nach wie vor Soldatenpflicht nach dem Soldatengesetz, doch der Eid ist nun gelöst. Eine Gesellschaft, die es zuläßt, daß ihre jungen Bürger in Uniform straf- frei als Mörder bezeichnet werden, hat ohnehin die Berechtigung ver- wirkt, junge Männer zum Wehrdienst einzuziehen. Trotzdem, so glaube ich, lohnt es sich auch weiterhin, für unser Land Wehrdienst zu leisten. Die Bundeswehr besteht aus Menschen und aus Waffen. Der augen- blickliche Niedergang der Bewaffnung und der Rüstungsforschung ist ein bedauerlicher Vorgang, jedoch in Zeiten, in denen die deutsche und die europäische Einigung zu bezahlen sind, vorübergehend zu akzeptieren. Ein Niedergang von Ausbildung und Erziehung aber fände keine Ent- schuldigung vor der Geschichte. Die Bundeswehr hat zu den »Tugenden unter dem Stahlhelm« zu erziehen, selbst wenn viel gegen Soldatentu- genden gesagt und geschrieben wird. Der Durchschnittsbürger erwartet von seiner Bundeswehr auch, daß Deutschlands Soldaten treu und tapfer sind, diszipliniert und gehorsam, hart gegen sich selbst, mutig und stand- fest - und nicht zu vergessen - daß sie Deutschland lieben. Soldaten, die nur noch ihren Beruf lieben und denen ihr Land gleichgültig geworden ist, sind gefährlich. Lasse niemand die Nation zum emotionalen Vakuum verkommen. Ich schließe dieses Buch mit ein paar Sätzen des französischen Dich- ters, Fliegers und Soldaten Antoine de Saint-Exup~ry (aus »FLUG NACH ARRAS«): »Man stirbt für ein Heim, nicht für Möbel und Mauern. Man stirbt für einen Dom, nicht für Steine. Man stirbt für ein Volk, nicht für eine Men- ge. Man stirbt aus Liebe zum Menschen, wenn er der Schlußstein im Ge- wölbe einer Gemeinschaft ist. Man stirbt für das allein, aus dem man le- ben kann. «

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